Spangenberg Ellen: Behutsame Traumaintegration (TRIMB). Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2015, 286 Seiten. Mit einem Vorwort von Luise Reddemann.


Die hier vorgestellte und weiter entwickelte Methode der Traumabearbeitung geht auf Ingrid Olbricht zurück. Ellen Spangenberg hat im Kliniksetting mit Olbricht zusammen gearbeitet und ist die autorisierte Vertreterin der Methode, die eine sehr schonende Möglichkeit der Traumabearbeitung darstellt. Dabei werden Elemente schamanischen Wissens, die bei Olbricht noch stärker mitliefen, auf ein eher aufgeklärtes Maß reduziert.

Die Abkürzung TRIMB steht für Trauma Reprocessing with Imagination, Motion and Breath. Darin sind die Rahmenelemente benannt, die in der therapeutischen Traumabewältigung zur Anwendung kommen. Reprocessing verweist auf das zentrale Element beim EMDR, das in dieser Methodik enthalten ist. Ebenso die Imagination, die der Störungsebene in der hirnphysiologischen Struktur Rechnung trägt. Traumata betreffen in ihren Auswirkungen frühe Hirnstrukturen, besonders das limbische System und reduzieren die Reaktionsmöglichkeit des traumatisierten Menschen auf Stammhirnebene. Imaginative Verfahren zielen auf die Vorstellungsebene, gleichsam unterhalb der denkerisch-verstandesmäßigen Ebene des Großhirns, die nachweisbar bei Traumatisierungen und deren Folgeerscheinungen 'out of order' ist. Auch wenn die Menschen den Verstand und ihr Bewusstsein bekanntlich sehr hoch einschätzen, so greift der traumatisierte Organismus gleichsam auf frühere Entwicklungsstufen zurück – nebenbei fühlt man sich an den psychoanalytischen Begriff der Regression erinnert, der hier noch einmal eine andere Bedeutung erfährt. Lebensbedrohliche Erfahrungen werden mit 'primitiven', aber in der Evolution altbewährten Reaktionen beantwortet, die ein Überleben oft genug gewährleisteten. Bezogen auf die Phylogenese durchläuft das Individuum in seiner Ontogenese quasi diese Entwicklung im Zeitraffer. Und wir kennen die Entwicklungsstufe des magischen Denkens beim Kinde ebenso wie bei den sogenannten 'primitiven' Völkern. D.h. aber eben auch, den traumatisierten Menschen mit Hilfen zu unterstützen, die ihn auf der hirnphysiologischen Ebene dort erreichen, wo die Störung sich manifestiert hat.

Die Bewegung ist in der Methode ein weiteres wichtiges Element. Peter Levine konnte zeigen, dass die Trauma bedingte Notfallreaktion des „Einfrierens“ (die letzte Überlebenschance, wenn Kampf und Flucht unmöglich sind) den Zustand der Handlungsunfähigkeit festschreibt, wenn nicht nach der Bedrohung eine abschließende Handlung möglich ist. Auch wenn die Bewegung (links-rechts-Drehung des Kopfes beim Prozessieren) minimalistisch ist, so teilt sich dem Organismus im Verbund mit der Imagination sozusagen mit: „Ich lebe noch, ich bin der Gefahr entkommen!“ Und ebenso ist die Bewegung in der Wiedergewinnung der Handlungsfähigkeit enthalten, wenn in der Imagination belastende Gefühle durchtrennt oder transformiert werden, wobei Patient_Innen dazu eine beachtliche Kreativität entfalten, die sowohl zum Gefühl der Selbstbestimmung als auch zur spürbaren Wahrnehmung, dass das Trauma vorbei ist, beitragen. Hirnphysiologisch ist nunmehr die Einordnung des Geschehens auf der Zeitachse als vergangen möglich. Und nun stehen auch wieder hirnphysiologisch jüngere Fähigkeiten zur Verfügung.

Der Atem ist eine fundamentale Lebenserfahrung und Lebensbewegung und spielte in rituellen Handlungen der Völker schon immer eine Rolle. Flache Atmung blockiert Gefühle, tiefe Atmung hat etwas Befreiendes, Belebendes. Tiefe Atemzüge nach überstandener Bedrohung finden wir regelhaft in der Tierwelt und in TRIMB wird dies befreiende und belebende Element methodisch eingesetzt.

Ein ganz beachtlicher Vorteil dieser Methode der Traumabewältigung liegt in ihrer schonenden Gestaltung. Unter den Traumatherapeut_Innen wird noch gestritten, ob nach der Stabilisierung auf jeden Fall Traumaexposition stattfinden muss und in welcher Intensität. Verblüffend ist, dass es mit Hilfe von TRIMB ausreichend ist, bildlich gesprochen, „nur die große Zehe kurz in den See (das Trauma) zu halten“, um zu entlastenden Effekten zu kommen. Das macht das Verfahren so verlockend, weil so den Patient_Innen die Traumagefühle in einer erträglichen Dosis zugemutet und dennoch bearbeitet werden können. Die Gefahr der Retraumatisierung wird so erheblich herabgesetzt. Dies gilt auch für die Technik der doppelten Distanzierung, die es den Patient_Innen erheblich leichter macht, von außen auf Traumatisches zu schauen. Die Belastung kann immer noch sehr hoch sein, die Gefahr der Überflutung ist jedoch wesentlich verringert.

Sehr erfreulich ist die Generalisierung der Traumaverarbeitung. Ähnliches bei komplex traumatisierten Menschen löst sich mit auf. Die Arbeit mit einem „hot spot“ aus einem 'Traumafilm' löst benachbarte „hot spots“ mit auf. Und es lassen sich Trigger bearbeiten, was die Bewältigung des Alltags von Patient_Innen enorm erleichtert.

Ein neues Wundermittel ist gefunden? Durchaus nicht. Die Methode ist nur so gut, wie die therapeutische Beziehung, in die sie eingebettet ist. Die Belastung für beide Beteiligte ist jedoch erheblich geringer. Es gibt noch keine empirischen Studien zu dieser Methode. Dies ist möglicherweise nur für Naturwissenschaftsgläubige von erhöhter Relevanz. Letztlich gilt, dass das was heilt und hilfreich für Betroffene ist, auch eingesetzt werden sollte. Dabei beachtet und befolgt Frau Spangenberg die grundlegenden ethischen Anforderungen an psychotherapeutisches Handeln, wozu der Respekt vor dem Fremdseelischen ebenso gehört, wie die Einhaltung der Abstinenz und die Beachtung von Übertragung und Gegenübertragung. Alle grundsätzlichen Elemente des traumatherapeutischen Settings bleiben relevant und unerlässlich.

Wer hier nicht in Hinterwelten und Mystik abdriftet, der bekommt für die praktische Arbeit ein wertvolles Hilfsmittel an die Hand, das seinen Handwerkskasten an therapeutischen Hilfen wesentlich bereichert und den sowieso schon gequälten und stark belasteten Patient_Innen eine schonendere Behandlung ermöglicht.

Bernd Kuck
Mai 2015

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