Pilz, Elke
(Hrsg.):
Das Ideal der Mitmenschlichkeit - Frauen
und die sozialistische Idee
Würzburg 2005, Königshausen & Neumann, 308 Seiten
Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um eine Aneinanderreihung von
15 Lebens- und somit auch Werksgeschichten mehr oder weniger heute
noch berühmter Frauen, die sich mit der sozialistischen Idee und
deren Ideale verbunden hatten.
Es beginnt in der Mitte des
vorletzten Jahrhunderts, zur Zeit der frühen Industrialisierung
(Hausweberei, Strumpfwirkereien), führt uns über das Wien
der Jahrhundertwende (19./20. Jhdts) in die Neuzeit (DDR, 15 Jahre
vor dem Mauerfall). Den Schwerpunkt finden wir allerdings beim
ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahdts., einschl. Nazizeit.
Die 15 abgeschlossenen
Lebensgeschichten wurden von verschiedenen Autoren beschrieben, denen
gemeinsam ist, das sie heute alle in der Tiefenpsychologie tätig
sind, obwohl sie zum großen
Teil auch andere Fächer studiert und ausgeübt haben (z.B.
Prof. Dr. Danzer: Medizin und Psychologie, Dr. Kozlik-Voigt:
Psychologie, Geographie, Germanistik, Dr. Pilz: Psychologie,
Soziologie etc.). 15 verschiedene Leben -13 verschiedene Autoren, die
sich versuchen, einem Thema anzunähern! Damit sind wir mitten in
den Stärken und Schwächen des Buches.
Interesse finde ich an dem Thema,
da ich selbst als dritte von fünf Töchtern geboren wurde.
Auch mein webliches Geschlecht war für meine Eltern eine
Kränkung, die ein lebenslanges Auseinandersetzen mit
Weiblichkeit und ein Beobachten von Frauen in der Gesellschaft,
welcher auch immer, nach sich zog. So war es auch hier. Das Buch
sprach mich vom Thema her sofort an, der Aspekt der Mitmenschlichkeit in
der sozialistischen Idee bei Frauen ein neuer. Im Grunde empfand ich
jede Biographie als selbständige Einheit, nicht zuletzt durch
den Wechsel der versch. Verfasser. Ich lernte also 15
Lebensgeschichten kennen, die mir durchaus spannend und differenziert
dargeboten wurden. Jede mit einem anderen Schwerpunkt, sei es Politik
an sich (Zetkin), Schriftstellerei (Seghers), Malerei (Kahlo) und
anderes. Jede hatte einen etwas anderen Zugang zum Thema: bei der
einen Verarmung des Vaters (Braun), bei der anderen die Armut in der
„ alten Welt“ und somit Auswanderung (Goldman) oder ganz
persönliche Gründe: großer Drang zur Autonomie
(Beauvoir), körperliches Gebrechen (Kahlo), die Kränkung
der Eltern durch das Geschlecht des Kindes (Webb) oder allgemeine
politisch schwierige Situationen (Heller). Auffallend groß war
die Anzahl der Frauen mit jüdischer Abstammung, auffallend auch,
das Auftreten der Frauen in Zeiten der allgemeinen Feminisierung und
des Antisemitismus. Alle Frauen haben sich als Gemeinsames in der
Idee der Mitmitmenschlichkeit im Sozialismus über die Zeit verbunden.
Das Buch allgemein ist interessant und abwechslungsreich geschrieben. Dieser Vorteil stellt für
mich zugleich jedoch auch einen Nachteil dar. Jede Lebensgeschichte
hätte auch als Einzelbiographie erscheinen können. Ich habe
den gemeinsamen „Guß“ vermisst, das Fazit, das
Resümee. Die Autoren bleiben jeder für sich, finden keine
Verbindung. Schade.
Gerade als tiefenpsychologisch, analytisch orientiert Tätige habe ich von meinen Berufskollegen
mehr Deutung erwartet, z.B. Hinweise auf Identifikationen, die sich
wiederholen. Auch die Frage, warum sind die Frauen nicht im Feminismus oder Zionismus „steckengeblieben“
bleibt unbeantwortet. Vielleicht gibt es auch keine einfache Deutung
(wo gibt es sie schon), aber meines Erachtens hätte die
Fragestellung aufgegriffen werden müssen. Darin hätte ich
die Chance gesehen, das Buch mehr als geschehen, als Einheit
erscheinen zu lassen. Es bleibt auf der Stufe der aneinandergereihten
Einzelteile stehen. Und bekanntlich ist das Ganze mehr als die Summe
aller Einzelteile. Den Status des „Ganzen“ erreicht das
Buch nicht. Trotzdem hatte ich viel Spaß beim Lesen, es hat
mich bereichert und gab mir die Möglichkeit mich hier und da
wiederzusehen. Vielen Dank.
©Kornelia
Apeldorn
Ärztin, Psychoanalyse
Mayen, Februar 2006
direkt bestellen:
Das Ideal der Mitmenschlichkeit
Oder in der nächstgelegenen
Buchhandlung! So landen die Steuereinnahmen zumindest in
"unserem" Steuersäckel, was theoretisch eine
Investition in Bildung und Erziehung ermöglichen würde.
In Bonn-Bad Godesberg z.B. in der
Parkbuchhandlung