FAPP u. DKthR (Hg.) : Psychotherapie mit dem Pferd. Beiträge aus der Praxis, Herausgegeber: Fachgruppe Arbeit mit dem Pferd in der
Psychotherapie (FAPP) und Deutsches Kuratorium für Therapeutisches Reiten e.V., Warendorf 2005, 184 Seiten.
Höhlenbilder belegen, dass der Kontakt zwischen
Mensch und Pferd auf eine fünftausendjährige Geschichte zurückblickt. Aber erst
seit ein paar Jahrzehnten wird das Pferd in der Psychotherapie eingesetzt.
Dabei rücken verschiedene Aspekte in den Vordergrund, die für die
therapeutische Arbeit mit frühgestörten oder im Vertrauen zu tiefst erschütterten
Menschen das Pferd als besonders geeigenet erscheinen lassen. Von
grundsätzlicher Bedeutung etwa ist die Traumatisierung des Menschen durch den
Menschen, die ihn nur schwer zu neuem Vertrauen finden lassen. Das geht mit dem
Tier als Vermittler wesentlich besser, geht doch von einem Tier, besonders von
einem gut ausgebildeten Therapiepferd, in dieser Hinsicht keine Gefahr aus.
Ferner hat das Pferd einen wesensmäßigen Bezug zum Rhythmus, hier zum
Bewegungsrhythmus, der über den Körperkontakt vermittelt sogar dem psychotisch
erkrankten Menschen wieder zu Rhythmus und Körpermitte verhelfen kann, wie in dem
Beitrag von Michaela Scheidhacker eindrücklich gezeigt wird. Über den
Bewegungsrhythmus kommt es zum Bewegungsdialog, in dem Pferd und Reiter sich
zusammenfinden müssen, um sich dem Ideal der gemeinsamen Bewegung aus dem
gemeinsamen Schwerpunkt heraus anzunähern. Dies hat durchaus Bezüge zum archaischen
aufeinander Einstimmen von Mutter und Kind, zu dem sich im Kontakt mit
dem Pferd noch das fundamentale Erlebnis des Getragenwerden gesellt. Eine Erfahrung,
die gerade frühgestörten Menschen oftmals abgeht.
Aus diesen
Gesichtspunkten heraus eignet sich das therapeutische Reiten ebenfalls zur Selbsterfahrung solch
fundamentalen - vorrangig über den Leib
vermittelten - Erlebens. Selbst nicht manifest erkrankten Reiterinnen und Reitern
kann die Methodik dazu verhelfen, Blockaden aufzulösen, die Fortschritte im Erlernen
des Reitens verhindern, auf die "normale" Reitausbilder häufig nicht
eingehen können. Eine Sportart, die in so engem Kontakt mit einem lebendigen
Wesen ausgeübt wird, ist nicht denkbar ohne die emotionale
Bereitschaft und Fähigkeit- z.B. zur Hingabe, zum Gelöstsein -, um gut und
harmonisch eine einheitliche Bewegung zu erzielen. Man denke etwa an das
Bild von Franz Marc "Der heilige Julian" (Erzbischof von Toledo
seit 680, gestorben 690, energischer Vertreter der kirchlichen Leitung des Staates), in
dem die Steifheit des Reiters und die daraus resultierende fehlende Bewegungseinheit
mit dem Pferd eindrücklich dargestellt sind.
Insgesamt sind im vorliegenden Band verschiedene
Beiträge aus der Praxis versammelt.
Monika Mehlem z. B. befaßt sich mit den Möglichkeiten, mit
Hilfe der Pferde Ängste zu bewältigen.
"Als Herdentier fordert das Pferd den Menschen auf, Stellung zu
beziehen und sich zu bekennen, damit es seine eigene Position finden kann. Auf
dass es sich dem Menschen vertrauensvoll unterordnet, oder gegenüber dem
unentschiedenen Menschen die Führung übernimmt. Dass es den schutzlosen
Menschen wie ein Fohlen behütet oder den unterschwellig aggressiven Menschen
abwehrt." (S.21)
In ihrer eindeutigen Art sich zu verhalten, sind Pferde ehrlich, kränken
aber nicht. Es bringt seine Erfahrung mit in die Begegnung ein, ist aber
vermutlich frei von psychodynamischen Prozessen der Abwehr, Verdrängung und
Projektion.
Frau Groth geht auf die Bedeutung des Getragenwerdens durch das Pferd ein,
wobei sie besonders für frühgestörte Patienten betont, dass sie gute Gründe
haben, sich auf eine Beziehung zum Menschen nicht so ohne weiteres
einzulassen. Da wir uns hier im vorsprachlichen Bereich bewegen, sind die
Konflikte nicht immer verbalisierungsfähig. Hier kann das Pferd der Mittler
sein, bei dem die Gefahr, abhängig zu sein und zugleich nicht
angenommen und/oder verstanden zu werden, nicht besteht.
Psychotherapeutisch wirksam wird die Begegnung mit dem Pferd aber erst in der
Begleitung durch die Therapeutin.
"Die Verbalisierung der auftretenden Gefühle durch den Therapeuten sowie die
Hilfestellung bei der Umsetzung (z.B. Was möchte ich tun oder wünsche ich mir)
helfen dem Patienten dabei, seine Gefühle als Teil seiner Selbst
anzuerkennen." (S.42)
An einer Fallvignette
wird dies nachvollziehbar dargestellt, wobei das
Setting zwischen Praxisraum und Stall ständig oszilliert, immer wieder Phasen
der verbalen Durcharbeitung der Arbeit mit dem Pferd folgen oder
vorausgehen.
Psychotherapeutisches Reiten wird seit den 80-iger
Jahren nicht nur in heilpädagogischen Einrichtungen eingesetzt, sondern gezielt
und erfolgreich auch in Kinder- und Jugendpsychiatrischen Kliniken. Die
damit verbundenen Kosten sind nur schwer in einem ambulanten Setting zu stemmen,
zumal das Therapeutische Reiten keine Kassenleistung ist und es empfohlen wird,
die Pferde aus Gründen artgerechter Haltung in der Herde zu belassen, darüber hinaus aus einem Pool von charakterlich
unterschiedlichen Pferden, das jeweils für das therapeutische Anliegen
passende auswählen zu können. Dabei hat sich das
Indikationsspektrum ständig erweitert,
"von schwerer chronischer psychischer Störung bis zu Selbsterfahrungsgruppen für Reiter, die mehr über sich selbst und ihr Verhältnis zum Pferd wissen wollen, oder die im Verhältnis zu ihrem Pferd manchmal von "unerklärlichen" Angst- und Spannungsproblemen heimgesucht werden, deren Ursachen tiefer liegen und die nicht mit reittechnischen Mitteln zu verbessern sind" (S.127).
wobei für mich die Darstellungen der Arbeit mit frühgestörten und missbrauchten Menschen besonders eindrücklich war.
Dipl.-Psych. Bernd
Kuck, Bonn
April 2006
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