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Modler Peter: Mit Ignoranten sprechen. Wer nur argumentiert verliert. Campus. 2019


Deborah Tannen machte 1994 auf den unterschiedlichen Kommunikationsstil von Frauen und Männern aufmerksam. In der deutschen Übersetzung erhielt das Buch den Titel: „Du kannst mich einfach nicht verstehen“. Tannen hatte zwei Kommunikationsstile beschrieben. Der eine, der meist von Männern gepflegt wird – aber nicht nur -, die an Macht orientiert sind, bei dem es um Revier Abgrenzung und Statusfragen geht, wer ist oben, wer unten. Sie nannte diesen Stil den vertikalen.
Anders der Stil, der meist – nicht nur – von Frauen gepflegt wird. Hier geht es um Austausch von Argumenten, aber auch darum, von anderen anerkannt, ja geliebt zu werden. Tannen nennt diesen Stil den horizontalen.

Modler hat sich intensiv damit auseinandergesetzt und herausgearbeitet, dass tatsächlich eine Verständigung zwischen Menschen nicht gelingt, die diese unterschiedlichen Sprachstile verwenden. Er entdeckt diese verschiedenen Stile sowohl in der Politik als auch in betrieblichen Zusammenhängen. Aus seiner Erfahrung als Coach kann er gleichsam ein Lied singen. Hinsichtlich politischer Verhältnisse ist ja immer noch Trump(el) ein aktuelles Beispiel für die vertikale Kommunikation, die zugleich die der Ignoranten ist. Wenn ich hier den Namen des ehemaligen amerikanischen Präsidenten verhöhne, dann bin ich allerdings bereits in die Falle getappt. Wer lediglich den eigenen elaborierten und argumentativen Sprachstil gelten lässt, der ist sich oft zu fein, die Argumentationsebene zu verlassen – und verliert.

Am Beispiel der drei Fernsehdebatten zwischen Donald Trump und Hillary Clinton kann Modler zeigen, dass sie zwar super vorbereitet war und argumentativ die Stärkere war, so aber Trump nicht stoppen konnte. Sie war sich möglicherweise zu fein, ihren Sprachstil zu verlassen, um in kurzen Sätzen, knapp und klar Trump der Lüge zu überführen. Kessler, ein amerikanischer Faktenchecker der Washington Post, wies nach, dass Trump an einem Tag im Juni 2018 77 Falschaussagen in die Welt setzte. Wenn Obama oder Clinton nicht die Wahrheit sagten, dann war es eine Herausforderung für Journalisten, ihnen dies nachzuweisen. Bei Trump ist es nicht so schwierig, aber die schiere Menge lässt kaum noch Zeit für andere Themen.

Besonders hebt Modler drei verschiedene Sprechweisen hervor, wobei die verbale meist nicht die entscheidende ist. Bedeutsamer sind Mimik und Gestik, sowie die Bewegungen, all das, was zum physisch leiblichen Ausdruck, der sogenannten Körpersprache gehört. Modler spricht daher von High Talk, Basic Talk und Move Talk. Ersterer ist die argumentative Ebene. Beim Basic Talk handelt es sich zwar immer noch um die verbale Ebene; jedoch ist sie sehr einfach, hat allerdings enorme Wirkung, besonders bei einem Gegenüber, das nur High Talk beherrscht.

»Was hatte sich Trump nach einem anspruchsvollen G20-Gipfel als Resümee auf einen Zettel notiert? Bob Woodwart hatte ihn ausfindig gemacht. Darauf stand in überwältigender Einfachheit: „Handel ist blöd“ („Trade is bad“). Nicht mehr. Drei Wörter. Ein Regierungsprogramm in Basic Talk« (S. 34).

Der Move Talk setzt gezielt Bewegung ein. So ging Trump beim ersten Duell schnurstracks mit ausgestrecktem Arm auf Clinton zu, ergriff ihre Hand – dem sie sich kaum verweigern konnte -, um sie dann festzuhalten und mit seiner anderen Hand ihren Handrücken zu tätscheln. Eine deutliche Geste der Überlegenheit, der Clinton hilflos ausgeliefert war. Hätte nur noch gefehlt, dass er sie mit Küsschen begrüßt hätte.

»Wir dürfen nicht den Fehler machen, zu glauben, „verbal“ sei die einzig gültige Richtschnur von Kommunikation, und wenn dort etwas wegfiele, entstünde eine Lücke, die dann „non“-verbal sei. Also eigentlich ein Defekt. Move Talk ist aber kein Mangel. Er stellt vielmehr ein eigenständiges sprachliches Element dar, bei dem ein menschlicher Körper von der betreffenden Person in einer beabsichtigten Weise im Raum platziert wird« (S. 35).

Als Olaf Scholz sein Amt als Finanzminister antrat, zeigte er, dass der Basic Talk zu seinem Sprechstil gehört. Besonders beeindruckend dabei, dass er mit wenigen Worten nichts sagt, auf eine gestellte Frage inhaltlich nicht antwortet.

Und so gibt es noch sehr illustrierende Beispiele aus der Politik. Etwa wie Horst Seehofer Angela Merkel beim CSU Parteitag schulmeisterte, sie dabei aber in einer Position neben dem Rednerpult gleichsam festhielt (Move Talk). Ebenso zwei gegensätzliche Beispiele aus Landtagsdebatten, worin eine Landtagspräsidentin einen ignoranten AFD Abgeordneten sogleich konfrontierte und nachdem er weiterhin ein drittes Mal nicht darauf reagierte, ihm das Wort entzog. Eine andere Landtagspräsidentin hingegen sehr zögerlich zur Ordnung rief und damit letztlich eine Eskalation vorbereitete, die schließlich in einen Skandal einmündete und der AFD Abgeordnete mit polizeilicher Gewalt des Saales verwiesen wurde.

Wer es gewohnt ist, in der leibfundierten sogenannten Psychotherapie auf die physisch-leiblichen Signale zu achten, dem sind die Phänomene nicht fremd. Lehrreich ist das Buch allemal, dabei kurzweilig zu lesen.

Bernd Kuck      
Januar 2024

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Mit Ignoranten sprechent

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