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Broeckmann, Sylvia: Plötzlich ist alles ganz anders  - wenn Eltern an Krebs erkranken. Klett-Cotta, ISBN 3-608-94324-2, 185 Seiten 


Trotz der Dramatik des Themas hat das Buch eine beruhigende Wirkung. Die Autorin spricht alle Themen, welche die Krebserkrankung betreffen, an, sie hält mit nichts hinterm Berg und zeigt: es lässt sich reden, es lässt sich Ausdruck finden. Nur Schweigen tötet. Wobei nicht allein das Schweigen mit Worten gemeint ist, sondern das Nicht-mehr-in-Beziehung-sein mit sich selbst, mit der Umwelt und - mit den Kindern eben. Um diese geht es in dem Buch.

Wie sagt man einem Kind, einem Jugendlichen, dass ein Elternteil an Krebs erkrankt ist? Wann ist der geeignete Zeitpunkt? Wie ehrlich soll und darf ich sein? Was muss das Kind wissen? Wie können Erwachsene dem Kind Unterstützung geben, die selbst an Krebs erkrankt sind und selbst Unterstützung brauchen? Was ist, wenn die Erkrankung fortschreitet? Wie spreche ich mit meinen Kindern über Sterben und Tod? Wo gibt es Hilfe von außen für die betroffenen Eltern und die Kinder?

In übersichtlich gegliederten Kapiteln geht die Autorin auf all diese Fragen ein. Es gibt einen allgemeinen Teil, in welchem Grundsätzliches behandelt wird. In einem weiteren Kapitel werden Reaktionen und Bedürfnisse der verschiedenen Altersstufen besprochen. Mit einem Kleinkind ist sicherlich anders zu sprechen als mit einem Schulkind oder einem Jugendlichen. Aber für alle gilt: sie brauchen die Sicherheit, dass sie die Wahrheit erfahren und keine noch so wohl gemeinten falschen Versprechungen. Das dritte Kapitel befasst sich mit verschiednen Erkrankungsstadien. Unter anderem mit dem erneuten Ausbrechen und dem Fortschreiten der Erkrankung, der Unheilbarkeit und dem Sterben eines Elternteils. Auch hier gilt: Ehrlichkeit ist unumgänglich – in geeigneter Sprache und in altersgerechten Portionen. Aber auch das ist wichtig: Wie geht das Leben weiter für die Lebenden? Das letzte Kapitel befasst sich mit Hilfen aus dem Umfeld der Familie und gibt konkrete Hinweise an Verwandte, Freunde und Bekannte, sowie an ErzieherInnen, LehrerInnen und andere Bezugspersonen. Den betroffenen Eltern rät die Autorin: „Seien Sie kreativ und hemmungslos, Hilfsangebote anzunehmen.“ In einem Anhang gibt es weitere Literaturhinweise – nicht allein Fachbücher, sondern auch Hinweise auf Kinderbücher. Und schließlich, eine Übersicht verschiedener Beratungsstellen und Informationsdienste.

Der Stil bleibt sachlich und klar, aber nicht kühl; warm, ohne betuliche Gefühlsduselei und schlicht ohne banal zu sein. Das ist das Bestechende an diesem Buch und Ratgeber. Die Autorin bietet das an, wozu sie „rät“: sie setzt sich in Beziehung mit dem Leser, mit der Leserin und vermittelt auf diese Weise ein Beispiel von dem was Kinder vom Erwachsenen brauchen: ein Modell im Umgang mit Gefühlen. Insofern ist es ein Buch weit über sein Thema hinaus. Ein Buch über Beziehungen, die ja nicht erst beginnen (sollten), wenn Eltern an Krebs erkranken.

Es könnte gut sein, dass viele Eltern sich im Moment der eigenen Erkrankung überfordert fühlen, dieses Buch zu lesen, um ihren Kindern in dieser Situation ein unterstützendes Gegenüber zu sein. Aus diesem Grunde halte ich es für eine Pflichtlektüre auch für „Gesunde“ und für alle, die sonst mit Kindern zusammen sind (in der Schule, im Kindergarten u.a.) bzw. für Menschen, die in Krebsberatungsstellen oder in freien Praxen arbeiten.

Dipl.-Psych. Ingritt Sachse, Dezember 2002                                                          
Psychotherapeutin

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